Das Wappen über dem östlichen Eingang der Unterreichenbacher Kirche.
Dieser Text wurde von Peter Kauck verfasst und freundlicherweise für die WebSite zur Verfügung gestellt.
Über dem Osteingang der Unterreichenbacher Kirche befindet sich, in Sandstein gemeißelt und von der Verwitterung schon stark angegriffen, ein reich verziertes Isenburger Wappen. Dieses Wappen und seine geschichtlichen Hintergründe sollen hier, bevor es endgültig dem Verfall preisgegeben ist, beschrieben und erklärt werden, zumal die in der Heraldik so wichtigen Farben in dieser Steinmetzarbeit eines unbekannten Meisters nicht wiedergegeben werden konnten.
Inmitten der Darstellung befindet sich das altbekannte isenburger Wappen, der silberfarbene Schild (weiß = silber) mit den beiden schwarzen Balken, welcher von zwei widersehenden, aufrecht stehenden bezw. springenden Löwen als Schildhalter gehalten wird. Daß man hier die Form des „widersehenden“ Löwen, d. h. des Löwen mit nach hinten gewendetem Kopf gewählt hat, liegt wohl an der Raumaufteilung der Darstellung, wo der Bildhauer die Löwen der Form des Schildes angepaßt hat. Auch das persönliche Siegel des Fürsten zeigt diese Form, während im Regierungssiegel die aufrecht stehenden Löwen nach vorne blicken. Den noch zum Wappen gehörenden goldenen Turniershelm mit Helmdecke und Helmzier hat man hier aus Platzgründen weggelassen. Da die Wappendarstellung sich auf den zur Zeit des Kirchenbaues regierenden Landesherrn, Wolfgang Ernst I. Fürst zu Ysenburg und Büdingen in Birstein bezieht, ist es erforderlich, auf seine Person näher einzugehen.
Wolfgang Ernst wurde in Birstein am 5. April 1686 geboren. Seine Eltern waren Wilhelm Moritz I. Graf zu Ysenburg und Büdingen in Birstein und Anna Amalie geborene Gräfin zu Ysenburg und Büdingen in Meerholz. Er folgte seinem Vater im Jahre 1711 als Graf Wolfgang Ernst III. in der Regierung. Von ihm ist überliefert, daß er von schwacher Gesundheit war. Nichtsdestoweniger regierte er 43 Jahre und hatte sieben Söhne und acht Töchter aus drei Ehen. Als im Jahre 1718 sein Onkel, Graf Johann Philipp, der Gründer des Ortes Neu-Isenburg, in Philippseich verstarb, fiel auch der Offenbacher Besitz und die Dreieich wieder an die Birsteiner Linie zurück.
Mit Dekret des Kaisers Karl VII., ausgestellt zu Frankfurt am Main am 23. März 1744 wurde Graf Wolfgang Ernst III. in den Stand eines erblichen Reichsfürsten erhoben. Fortan nannte er sich Wolfgang Ernst I. Fürst zu Ysenburg und Büdingen. Nun kommt noch hinzu, daß in diesem kaiserlichen Dekret, dem sogenannten „Fürstenbrief“ der Name „Isenburg“ mit „I“ geschrieben ist, worauf die Birsteiner Linie der Isenburger die Schreibweise ihres Namens mit „I“ zurückführt. Ein Blick in die Akten des Birsteiner Archivs zeigt jedoch, daß Wolfgang Ernst vorerst noch der gewohnten Schreibweise „Ysenburg“ treu blieb. Dasselbe ist sowohl im oben genannten persönlichen Siegel des Fürsten als auch im größeren Regierungssiegel zu sehen, wo jeweils „Ysenburg“ zu lesen ist.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich nun die weitere Beschreibung der Wappendarstellung: Mit der Erhebung in den Fürstenstand war eine sogenannte Wappenvermehrung verbunden, und zwar hat die Birsteiner Linie das Recht, inmitten des isenburger Wappenschildes ein blaues Mittel- oder Herzschild mit einem rechtsgewendeten, goldenen Löwen mit ausgeschlagener roter Zunge und aufgewundenem doppelten Schwanz zu führen. Interessant ist dabei, daß die im Jahre 1600 erloschene Linie Ysenburg-Ronneburg das gleiche Wappen führte, welches auf eine Verleihung durch Kaiser Karl V. an den Grafen Anton zu Ysenburg im Jahre 1547 zurückgeht. Graf Anton genoß außerdem das fürstliche Privileg, mit rotem Wachs zu siegeln. Dieser goldene Löwe auf blauem Schild wird auch als „Hardecker Löwe“ bezeichnet und soll das urkundlich nicht nachweisbare Wappen der Herren von Büdingen gewesen sein, als deren Erben die Isenburger bis heute den Namenszusatz „und Büdingen“ führen.
Den ganzen Schild einschließlich den Wappenhaltern umgibt ein roter, innen mit Hermelin gefütterter und oben mit einen Fürstenhut bedeckter fürstlicher Mantel. Die beiden Kordeln und die Fransen des Mantels sind goldfarben. Der rote Fürstenhut mit zwei goldenen, perlenbesetzen Bügeln, goldenem Reichsapfel und Kreuz hat einen nach außen aufgeschlagenen Hermelinbesatz. Der Hermelinpelz ist als Zeichen fürstlicher Macht allein den regierenden Fürsten vorbehalten.
Ist der Inhaber eines Wappens auch Ordensträger, so kann er sein Wappen zusätzlich damit zieren. So ist auch hier ein um das Wappen gelegtes Ordensband mit anhängendem Ordensstern noch deutlich zu erkennen. Es handelt sich hierbei um den Seraphinenorden, „Das blaue Band“ des Königs von Schweden.
Der Orden soll schon 1260 oder 1285 von König Magnus I. von Schweden gestiftet worden sein. Gewiß ist, daß der Orden 1336 bestand. König Friedrich I. erneuerte ihn, sowie den Schwert- und Nordsternorden, und setzte sie, unter neuer Statutierung am 28. April 1748, in ihre alten Rechte ein. ... Der König ist Ordensherr und Meister, die Prinzen sind geborene Ordensritter, die Zahl der übrigen Ritter, mit Ausnahme der Souveräne nebst ihren ältesten Söhnen, ist auf 23 In- und 8 Ausländer festgesetzt. ... Die Ritter erhalten den Ritterschlag, nachdem sie am Montag vor dem Advent erwählt sind, am 28. April jeden Jahres (Geburtstag Friedrichs I.)...
Die Ordenszeichen werden folgendermaßen beschrieben: 1. Kleinod von Königskrone überhöhtes, achtspitziges, an den Spitzen mit goldenen Kugeln besetztes, weißemailliertes Kreuz, mit von viergoldenen Patriarchenkreuzen und vier goldenen Seraphimköpfen umgebenen quadratischen dunkelblauen Medaillon, darin, begleitet von den drei goldenen Kronen aus dem Schwedischen Wappen, über drei silbernen Nägeln vom Kreuze Christi; das silberne Monogramm Jesu Christi (IHS): J(esus), ein mit Kreuz bestecktes H(ominum) und ein S(alvator) (Jesus, Erlöser der Menschen). Der Revers (Rückseite) zeigt ein rundes blaues Medaillon, darin die goldenen Buchstaben (FRS): F(ridericus) R(ex) S(ueciae) - Friedrich König von Schweden. 2. Band: hellblau, von der rechten Schulter zur linken Hüfte getragen. 3. Stern: silbern, Medaillon blau, Bord golden, sonst wie Kleinod; wird auf der linken Brust getragen. 4. Kette, an Galatagen um den Hals getragen, besteht aus elf goldenen Seraphimköpfen und elf goldbordierten blauen Patriarchenkreuzen, die durch goldene Kettenglieder miteinander verbunden sind. ... (Gritzner, Handbuch der Ritter- und Verdienstorden, Leipzig 1893)
An der Kirche zu Unterreichenbach steht auf dem Türsturz unter dem Wappen die Jahreszahl 1749, woraus zu schließen ist, daß Fürst Wolfgang Ernst zu den ersten Rittern des im Jahre 1748 neu eingesetzten Seraphinenordens gehörte. Nach dem oben Gesagten muß die Ordensverleihung am 28. April 1749 erfolgt sein, nachdem der Fürst am Montag vor Advent 1748 zum Ritter erwählt wurde. Es bleibt nun noch die Frage zu beantworten, welche Beziehungen Isenburg zu Schweden hatte, um einen der höchsten Orden des Königreiches zu erhalten.
Aufgrund der politischen Verhältnisse Mitte des 18. Jahrhunderts, wo sich wahrscheinlich schon abzeichnete, daß die alte Ordnung des Reiches, welche 50 Jahre später von Napoleon endgültig umgestoßen wurde, keine lange Überlebensmöglichkeit mehr haben würde, war Isenburg als „mindermächtiger Reichsstand“ auf den Beistand eines mächtigeren Bündnispartners angewiesen. Der nächstgelegene Büdnispartner war der Landgraf von Hessen-Kassel und so haben mehrere Isenburger Prinzen Karriere in hessischen Militärdiensten gemacht.
Landgraf Friedrich von Hessen-Kassel war mit der schwedischen Thronerbin Ulrike Eleonore aus dem Hause Pfalz-Zweibrücken verheiratet, welche nach nur einem Jahr Regierungszeit als Königin von Schweden 1720 ihr Amt niederlegte, worauf ihr Gemahl Friedrich I. 31 Jahre lang als König von Schweden regierte.
Durch die Auszeichnung mit dem höchsten Orden, den Friedrich zu vergeben hatte, wollte er seinen Bündnispartner sicher nicht nur auszeichnen, sondern auch fester an sich binden. Der am 13. April 1759 in der Schlacht bei Bergen gefallene Sohn Wolfgang Ernsts, Prinz Johann Kasimir, war hessischer Offizier und ebenfalls Ritter des Seraphinenordens.
Fürst Wolfgang Ernst I verstarb in Birstein am 15. April 1754 und ist in der Isenburger Familiengruft bei der evangelischen Kirche in Birstein beigesetzt, sein Grabstein befindet sich in der evangelischen Kirche in Birstein hinter dem Altar.
Veröffentlicht im Birsteiner Heimatboten Dezember 2002, 41. Jahrgang, Seite 44-45, herausgegeben vom Geschichtsverein Birstein e.V.